Am 11. November 1918 schwiegen in Europa die Waffen – mit dem Waffenstillstandsabkommen war der Krieg de facto beendet. Überall im Land hatten sich zuerst Matrosen und Soldaten erhoben; Monarchen waren zurückgetreten, sogenannte Arbeiter- und Soldatenräte übernahmen die Macht. Im April 1919 floh die bayrische Regierung nach Bamberg. Die Verabschiedung einer demokratischen Verfassung in Weimar im August 1919 brachte vorläufig Stabilität.
Doch die Ruhe war fragil. Kriegsschäden und schier übergroße Reparationsforderungen der Sieger hatten der Wirtschaft schwere Schäden zugefügt. Die Folge: Eine galoppierende Inflation. 1923 bekam man für einen Dollar 4,2 Billionen Mark! Noch im selben Jahr wurde der Rentenpfennig eingeführt, die Inflation überwunden. Großzügige Kredite aus den Vereinigten Staaten sollten der deutschen Wirtschaft wieder auf die Beine helfen.
Davon profitierte auch das Seminarvorhaben, denn auch die bayrischen Diözesen beteiligten sich an diesen „Amerikaanleihen“. Ein Großteil dieses Geldes konnte nun für den Bau des Priesterseminars verwendet werden.
Architekt Ruff hatte die Pläne inzwischen stark vereinfacht. In Zeiten von Inflation und Wirtschaftskrise schien ein neobarocker Bau weder praktikabel noch angemessen. Der Entwurf vom November 1926 sah einen modernen Bau im kubistischen Stil vor, dessen Ostfassade von einem hohen Turm geprägt war. Auch wenn der Gebäudeentwurf im Wesentlichen den Aufbau der vorherigen Pläne beibehielt – einen Trakt für das Knabenseminar im Osten und ein Trakt für das Priesterseminar im Westen – so verwarf er doch sämtliche bisherigen Gestaltungsprinzipien. Damit war ein realistischer Entwurf ermöglicht, die Arbeiten konnten wieder aufgenommen werden.
Der erste Spatenstich fiel im März 1927, zwei Monate später konnte der Grundstein gelegt werden. Die Arbeiten schritten gut voran. Im September 1927 feierte man Richtfest. Am 13. Juli 1928 wurde das neue Gebäude am Heinrichsdamm eingeweiht.